Summer of Sail

Vom Winde verweht

Nachdem wir noch einmal ausgeschlafen haben, starten wir gemütlich in den Tag. Leider ist mein Fuß noch immer nicht besser. Jetzt ist er auch angeschwollen und man kann einen kleinen blauen Fleck bereits erahnen. Ich taste selber rum, versuche in 2 Ebenen zu entdecken, ob eine merkwürdige Bewegung möglich ist. Die wichtigste Frage ist, wo er gebrochen ist. Dass er gebrochen ist, ist mir schon relativ klar. Immer wieder schaue ich mir Bilder an. Wahrscheinlich wird es wohl der erste Knochen nach dem Mittelfußknochen sein. Im Meer kann ich den Fuß ab und an kühlen. Belasten ist unmöglich – dann fährt der Schmerz rein. Ich bin begeistert. Kennt ihr das, wenn man im Kopf bereits die schlimmsten Szenarien durchspielt? Ich sehe mich schon im Flieger nach Deutschland, um mich dann von meinem alten Chef operieren zu lassen. Juhu. Das wollte ich ja schon immer mal – NICHT.

Am Abend entscheiden wir uns dann unsere Bucht zu verlassen. Die Abstimmung ist knapp, aber die Hafenbefürworter sind in der Überzahl. Im Reiseführer steht vage, dass in Vathi auf Ithaka im Juli und August ein Kulturfestival stattfindet. Ob das aktuell ist, wissen wir nicht, aber man möchte mehr erkunden… Wir fahren aus unserer geschützten Bucht und der Wind pfeift los. Es waren 20 Knoten vorausgesagt, aber jetzt wehen uns hier 40 Knoten Wind um die Ohren.

Chris lässt einen Anfänger ans Steuer. Das Großsegel soll raus. Leider setzt man die Kommandos nicht genau genug um. Das Großsegel wird rausgeholt, weil man denkt, man fährt in den Wind, obwohl man es noch nicht tut. 40 Knoten Wind lassen das Rollsegel aus dem Mast schießen. Die Schiene geht dabei kaputt. Das Kugellager fliegt in Einzelteilen durch die Gegend. Das Segel muss also wieder rein.

Chris bewahrt Ruhe. Er gibt Kommando zum Abfallen. Die Großschot muss gegeben werden, damit das Segel nach und nach reingezogen werden kann, denn der Festpunkt unten ist ja nicht mehr vorhanden. Der Steuermann fällt zu schnell ab. Binnen Sekunden krängt sich die Yacht auf 45°. Die rechte Reling liegt komplett unter Wasser. Kommando zurück. Chris bleibt weiter ruhig. Er regelt das mit dem Großsegel während der Rest wie versteinert sich an der Yacht festkrallt. Dafür liebe ich ihn, dass er selbst bei scheinbarer Gefahr vollkommene Ruhe ausstrahlt. Gefährlich war es nie, denn so eine Yacht ist nahezu unsinkbar, aber es blitzte dann doch kurzzeitig eine Titanic Szene in meinem Kopf auf. Wie man sich an die Reling krallt und schaut wie das Schiff nach unten rauscht in Richtung Meer.

Wir motoren also in den nächsten Hafen. Der Wind peitscht die Wellen hoch. In regelmäßigen Abständen schlägt das Wasser in das Cockpit. Wir sind komplett durchnässt. Unten in der Küche ist der Schrank mit den Tellern aufgegangen. Drei Teller liegen in Scherben auf dem Boden. Die Kanne der Kaffeemaschine ist auch in Einzelteilen verteilt. Ohne Schuhe kann man nicht mehr runter. Ich kann mit meinem Fuß keinen Schuh anziehen und darf also durchnässt bei 40 Knoten Wind oben bleiben. Mein Handtuch ist nach 5 Minuten ebenfalls nass. Wer runter gehen kann, findet es gemütlich mit einem Tee in der Hand. Der Rest hüllt sich in Regenjacken und erstarrt vor den Naturgewalten.

In Vathi angekommen, pfeift der Wind noch immer. Es liegen dutzende Yachten vor Anker und werden durchgeschüttelt. Eigentlich gibt es hier ein Krankenhaus, in dem ich meinen Fuß untersuchen lassen will. Wenn wir aber ankern, muss ich ins Beiboot und das ist leider unmöglich. Wir suchen also den einzigen freien Platz mit Landgangoption. Neben uns rudern zwei Engländer in ihrem Beiboot. Sie sind vom Wind einmal durch das gesamte Hafenbecken geschoben worden. Sie haben keine Chance gegen den Wind. Wir ziehen sie mit der Yacht in Richtung ihres Bootes, sonst wären die beiden wohl nie angekommen. Erst dann starten wir das Anlegemanöver. Ordentlich schmal wirkt er schon und der Wind treibt uns bedingungslos von der Seite auf die Nachbaryacht zu. Das ist eine Aufgabe für Christian – der Experte muss ran. Ein Crew-Mitglied hat Kopfweh und geht nach unten. Zu fünft absolvieren wir das Manöver. Fender raus, Anker werfen, Landleinen raus. Es klappt nahezu perfekt. Leider bin ich per Zufall Springer geworden und muss auf beiden Seiten mit den Fendern helfen. Mit gebrochenem Fuß sind solche Aktionen mehr als schmerzhaft. Zähne zusammengebissen. Danach geht es an Land und zum Essen. Alle sind unfassbar hungrig. Im Restaurant erfragen wir, wo das Krankenhaus ist. Gestärkt machen wir uns also auf den Weg. Humpelnd natürlich… Aber dazu morgen mehr!

Übrigens was lernen wir aus der Geschicht? Eine schöne Bucht verlässt man eben einfach nicht!

 

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