Summer of Sail

Spuren der Vergangenheit in Nafpaktos

Am Morgen werden wir in unserer kleinen idyllischen Bucht von einer Baustelle geweckt. Ein Bagger arbeitet bereits fleißig seit 6 Uhr am Morgen. So wirkt unsere kleine Bucht gar nicht mehr so idyllisch. Jetzt bei Tageslicht sehen wir, was uns gestern beim Ankern so Probleme bereitet hat. Die Bucht ist überwuchert mit Seegras. Dort darf man laut EU Richtlinie nicht ankern und ein Anker hält dort eben auch gar nicht. Unser erster Ankerversuch war deswegen am Vorabend fehlgeschlagen. Als wir den Anker wieder nach oben holten, hatten wir einen ganzen Busch voll Seegras auf unserem Anker. Mit dem Bootshaken versuchen wir das Seegras in der Dunkelheit zu entfernen. Als wir zum zweiten Versuch starten wollen, hat die Ankerfernbedienung keinen Saft. Nichts geht mehr. Auch Chris kann vom Steuerrad aus, den Anker nicht elektrisch bedienen. Wir begeben uns mitten in der Nacht auf Fehlersuche. Nach 5 Minuten werden wir fündig. Die Sicherung der Elektronik vom Anker ist rausgesprungen, da die Belastung zu hoch geworden war. Sicherung wieder rein und auf zum dritten Versuch. Nun sitzt der Anker also. Dabei hatten wir ordentlich Sicherheitsabstand zu diesem fetten Zementblock in der Badebucht gehalten. Jetzt am Morgen sehen wir, dass es eine Badeplattform ist, die da mitten in der Bucht rumschwimmt.

Der Bagger macht uns den Abschied nicht schwer. Wir segeln heute nach Nafpaktos. Allein die Anfahrt ist ein Traum. Wenn dein Herz ein wenig schneller schlägt, weil du überwältigt bist von der Schönheit dieses Anblicks, dann hat sich eine Reise doch gelohnt! Hoch in den Bergen thront die Burg von Nafpaktos. Die Burgmauern reichen hinunter bis ins Meer. Wir segeln in den Hafen hinein – genau dort, wo im 15. Und 16. Jahrhundert schon die Schiffe ankamen. Auf den Spuren der Vergangenheit erleben wir hier die Geschichte hautnah nach. Der Hafen ist klein, nahezu winzig. Wir ergattern den allerletzten Platz und machen den Italiener neben uns nicht so glücklich. Er ist etwas besorgt, weil wir so nah aneinander liegen. Dafür gibt es Fender…

Wir gehen von Bord und machen uns auf zur Burg. Es ist bereits Abend, aber die Hitze ist unerträglich. 30 Minuten geht es durchgehend bergauf. Die Ausblicke auf den Hafen und die Rio-Andirrion-Brücke im Hintergrund sind atemberaubend. Auf dem Rückweg treffen wir eine französische Familie und sprechen ein wenig über Fußball. Immerhin haben es die Franzosen ins Finale geschafft. Wir belohnen uns mit unfassbar gutem Essen in Christians Lieblingsrestaurant. Wir bestellen nur Vorspeisen, denn eine Hauptspeise braucht es hier nicht. Kugelrund und fröhlich gehen wir zurück in Richtung Boot und gönnen uns noch ein Eis auf dem Heimweg. Dort angekommen genießen wir ein kühles Getränk. Ich schaue mich um. Die Burgmauer ist nun beleuchtet. Ein Baum wächst auf der einen Seite, auf der anderen steht eine Statue von Cervantes, vielleicht von Don Quijote bekannt. Ich betrachte diesen Ort und sauge alle Eindrücke in mich auf. Und dann habe ich einen dieser wundervollen Momente, die ich so sehr genieße seit meiner Chemo. Ich stelle mir vor, wie hier bereits vor Jahrhunderten Menschen Wache hielten und Schiffe ankamen. Ich bekomme Gänsehaut und ein wenig Pipi in den Augen. Ich sitze in Christians Armen und genau hier und jetzt bin ich so unendlich glücklich und dankbar, dass ich diesen Moment erleben darf – mit ihm. Diese Momente hat man zu selten, dass man einfach merkt, wie froh man ist, leben zu dürfen.

Ich habe diese Momente gehäuft beim Segeln. Warum? Weil man eben im Moment leben kann. Kein Alltagsstress lenkt einen ab. Hier können die Gedanken frei laufen. Wollt ihr auch? Dann schaut doch hier nach eurem nächsten Segeltörn!

Bis dahin Mast- und Schotbruch!

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