Summer of Sail

Nachtfahrt

Wir schlafen ziemlich lange, denn wir haben bis 2 Uhr das Nachtleben von Nafpaktos erkundet. Direkt im Hafen sitzen die Menschen auf der Hafenmauer und trinken Cocktails. Es ist ein buntes und geselliges Treiben und wir nehmen die Atmosphäre wahr wie sie eben ist. Wir holen uns ein frisches Brot beim Bäcker und starten gemütlich in den Tag hinein.  Erst gegen Nachmittag müssen wir aufbrechen. Zunächst wandern wir zum Lidl, um unsere Vorräte aufzufüllen. Witzigerweise haben wir keinen Eistee mehr. Einer brachte die Idee auf und plötzlich finden alle anderen das auch so lecker, dass es am schnellsten weg ist. Neben Eistee kaufen wir vor allem frische Dinge wieder ein: Obst, Gemüse, Fleisch, Joghurt…

Am Nachmittag hissen wir die Segel und segeln endlich zu der imposanten Brücke, die wir bereits aus der Ferne betrachten durften. Die Rio-Andirrion-Brücke wurde von 1999 bis 2004 gebaut und ist eine Hängeseilbrücke, die im Erdbebengebiet erbaut wurde. 52 Meter hoch und über 250 Meter breit ist sie. Wir segeln darunter entlang und touchieren nahezu einen Pfeiler. Wir haben einen segelverrückten Gast an Bord, der manchmal lieber dem Wind als dem Kurs folgt. Wir segeln dann auch mal 2 Stunden in die falsche Richtung, wenn man nicht aufpasst oder gegen einen Brückenpfeiler. Wir konnten dieses Mal aber rechtzeitig korrigierend eingreifen.

In Patras machen wir Halt, denn ein weiterer Gast kommt heute an Bord. Es ist ehrlich gesagt keine schöne Stadt. Plattenbauten, kaputte Gebäude, viel Verkehrslärm machen das Stadtbild jetzt nicht zu einem der besonderen Art. Wir kaufen neues Internet, brauchen hierfür aber drei Versuche in drei Läden. Gegen 21 Uhr sind wir zurück und eigentlich schon sehr müde und erschöpft. Sehr gut, dass genau heute noch unsere Nachtfahrt ansteht.

Unser Ziel ist Ithaka bei Kefalonia. Es sind jedoch 50 Seemeilen bis dahin und auf dem Weg ist nur offenes Meer und nichts Sehenswertes mehr. Wir teilen uns in drei Schichten a 2,5h auf. Mir wird freundlicherweise die letzte Schicht übertragen, denn ich bin so gar nicht mehr gut im Verkraften von falschen Rhythmen. Als Schwerbehinderter darf man keine Nachtdienste mehr machen. Mir fiel das schon immer ziemlich schwierig. Auch im Krankenhaus früher habe ich die Dienste gehasst. Eine Nacht um die Ohren hauen, brachte mich einfach aus dem Gleichgewicht heraus. Ich bin davon kein Fan. Noch nie gewesen. Aber seit der Chemo und dem Krebs verkrafte ich es noch weniger. Da ist schon das frühe Aufstehen ein Graus, der mir den ganzen Tag zu Nichte macht.

Dankenswerterweise passiert dann auch noch das Unglück. Es ist ja noch Freitag, der 13… Der darf ja nicht ohne nennenswerte Problemchen vorüber gehen. Ich will eigentlich nur nochmal gute Nacht sagen gehen und bleibe mit dem Fuß blöd hängen an einem schwarzen Pedal, der manuellen Süßwasserpumpe. Mich durchfährt ein immenser Schmerz, mein Fuß pocht wie wild. Adrenalin schießt los, um über den Schmerz hinweg zu täuschen. Doof geprellt denke ich mir, aber auch nach 10 Minuten wird der Schmerz nicht besser. Ich versuche zu ertasten, was da jetzt defekt ist. Ist es komisch beweglich oder nicht. Mein dritter Zeh am rechten Fuß tut weh. Gerade so am Übergang zwischen Mittelfußknochen und erstem Zehglied. Mist. Gebrochen? Ich schmeiß mir eine Ibuprofen ein und lege den Fuß hoch. Optimale Voraussetzungen für eine Nachtfahrt. Mal sehen, ob der Zeh blau wird bis zum nächsten Morgen.

Gegen 5 Uhr weckt mich Christian. Ich habe Schichtleitung in der letzten Schicht und übernehme das Ruder. Mein Zeh schmerzt immer noch. Mist. Dezent geschwollen, aber irgendwie nicht so blau. Christian legt mir die Rettungsweste an. Eine dumme Welle und ich schlage mit dem Zeh gegen den Schrank. Bingo. Das tut weh! Ich quäle mich nach oben, denn belasten kann ich nicht.  Das ist mal definitiv mehr als eine Prellung. Als ich oben bin, ziehe ich an dem Zeh. Es macht zwei mal Klack. Okay, vielleicht war er ja nur im Gelenk ausgekugelt. Dann sollte es ja jetzt besser werden. Um 6:45 Uhr gerade nach Sonnenaufgang werfen wir Anker in der Bucht. Mein Fuß tut immer noch weh. Wir legen uns nochmal schlafen bis 11 Uhr. Belastung des Fußes weiterhin unmöglich. Im Laufe des Tages schwillt er an und wird leicht blau. Leider ist es eine dumme Stelle. Ich kann nicht genau sagen, ob es Mittelfußknochenende oder Zehenanfang ist. Mittelfußknochen muss ich dümmsten Fall operiert werden…

Dann geht die nächste Reise wohl an einen Ort mit Krankenhaus zum Röntgen. Drückt mal die Daumen, dass das Segelabenteuer nicht ein vorzeitiges Ende nehmen wird.

Bis dahin Mast- und Schotbruch!

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