Summer of Sail

Geburtsbericht I

Wann beginnt eigentlich eine Geburt?

Mit der ersten Wehe? Was ist dann aber mit den Frauen, die einen Kaiserschnitt bekommen und niemals eine Wehe spüren?
Mit dem ersten Schritt ins Krankenhaus? Viele Frauen, die schon seit Stunden Wehen veratmen, wären wohl mit dieser Definition auch nicht einverstanden.

Bei uns begann die Geburt irgendwie mit der Einweisung ins Krankenhaus zur Einleitung – ganze 10 Tage bevor Lius dann wirklich auf die Welt kam. Wir waren bei einer normalen Vorsorgeuntersuchung und plötzlich warst du ein kleines Wombatbaby geworden. Du wurdest auf 4200g geschätzt, dein Kopfumfang lag schon bei 36cm und eigentlich hatten wir noch 2 Wochen bis zum errechneten Termin. Mir wurde schon Angst und Bange und der Frauenarzt fand die Situation bei insulinpflichtigem Schwangerschaftsdiabetes auch nicht mehr so schön als dass er gerne noch 2 Wochen warten würde. Er schickte mich also am nächsten Tag ins Krankenhaus, damit die Geburt eingeleitet wird und du früher auf die Welt kommst. Plötzlich schießt ne Menge Adrenalin durch den Körper. Nachts schlafen – undenkbar!

Wir fuhren an diesem Freitag Morgen aufgeregt ins Krankenhaus. Wir hatten kaum geschlafen. Es waren Corona-Hochzeiten. Eigentlich war es nicht dramatisch schlimm, aber die Menschen reagierten dramatisch. An diesem Freitag entschied sich also das Krankenhaus dazu, dass Väter plötzlich nicht mehr zur Geburt mitdürfen. Erst wenn der Muttermund 8cm offen ist, dürften die Männer dazu. Sie saßen alle also stundenlang draußen auf dem Parkplatz im Auto und warteten während ihre Frauen alleine und einsam Schmerzen ertrugen. Auch Chris wurde rausgeschmissen.

Ich saß dann also heulend am CTG. Ohne Chris wollte ich das einfach nicht. Nach 90 Minuten wurde ich dann vom Gerät abgestöpselt und wartete auf die Ärztin. Ich wurde auf den Gang verfrachtet. Mit Maske saß ich dort, konnte alles beobachten und hören. Eine schreiende Frau gefolgt von einem schreienden Baby. Auf dem Gang eine stöhnende Frau, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Wand lehnte. Die Hebammen schnatterten in ihrem Glaskasten, der als Zentrale galt, wo sie über alle CTGs Überblick behielten. Keiner kümmerte sich um die Frau, die offensichtlich ziemlich heftige regelmäßige Wehen hatte. Nach 15 Minuten wandte sich die Frau verzweifelt an die Hebammen, ob sie sich irgendwo setzen könnte. Ihr Kreislauf spiele nicht mehr mit. Erst jetzt wurde ein Raum für sie gesucht, eine Hebamme verschwand mit ihr im Raum. Nach 5 Minuten holte man panisch den Mann dazu. Kurz drauf schreit ein Baby.
Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her, die Augen werden immer größer, Panik steigt in mir auf. Ohne Chris will ich hier ganz sicher kein Kind zur Welt bringen!

Schließlich kommt die Ärztin und es geht mal wieder zur Untersuchung. Baby wird erneut gemessen und mit Absicht kleiner, denn als nächstes sagt die Kollegin zu mir: „Selbst wenn es groß wäre, würden wir nicht einleiten, weil viel zu viel los ist.“ Tolle Begründung, aber in dem Moment pure Erleichterung für mich. Ich muss hier nicht alleine bleiben. Ich solle am Dienstag wiederkommen und dann könnte man ja einleiten. Das würde aber mehrere Tage dauern und mein Mann darf natürlich nicht mit und mich nicht besuchen kommen. Klasse Aussichten, klingt doch nach einem total guten Plan – NICHT! In meinem Kopf ratterte es bereits. Plan B muss her und das schnell!

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