Summer of Sail

Brautkleidsuche

Ich muss etwas gestehen. Ja, ich gehöre zu diesen Frauen, die seit Kindesalter von diesem einen großen Tag träumen. Diejenigen, die sich diesen Tag in allen Farben ausmalen, die schon seit 15 Jahren wissen, wie das Kleid aussehen soll, oder welche Location sie gerne haben würde.

Wie viele Nachmittage habe ich vor dem Fernseher verbracht und auf VOX „Zwischen Tüll und Tränen“ geschaut? Wie viele Hochzeiten habe ich mit bewertet bei „4 Hochzeiten und eine Traumreise“ und innerlich eine Liste über die schönsten Ideen angelegt?

Als ich Chemotherapie bekommen habe wegen meiner Krebserkrankung löste das emotionale Tiefs aus. Die Ungewissheit, ob man selbst jemals in einem weißen Kleid stecken würde, ob man überhaupt die Chance hat, einen Menschen zu finden, mit dem man ohne Bedenken ein Leben lang leben will, und diesen zu heiraten, kann einen schon zermürben. Damals wusste ich ja noch nicht, dass ich diesen Mann schon längst kenne und nur auf der langen Leitung stehe. Als Kind habe ich schon von einem Prinzessinnenkleid geträumt. Bloß nicht kurz, bloß nicht bunt. Mit viel Schwung sollte es sein. Kennt ihr den Film von Julia Roberts „Die Braut, die sich nicht traut“. Eine Szene hat sich in mein Hirn gebrannt. Julia steht in einem Brautmodenladen und hat ein dreiviertel langes Kleid an, dass sie wie eine Glocke schwingen kann. Genau das hätte ich gerne, aber in lang und das erscheint mir unmöglich.

Zwei Jahre später drehe ich also meine eigene Folge von „Zwischen Tüll und Tränen“ mit mir in der Hauptrolle und den Nebenrollen Rosi vom Brautmodengeschäft, meine beste Freundin Maribel und natürlich meine Mama. Eine Mama darf an einem solchen Tag nicht fehlen.

Auf mir lastete eine kleine, aber feine Portion Druck, denn ich hatte den ersten freien verfügbaren Termin am Dienstag genommen, direkt vor unserer Abreise am Mittwoch. Mit der Gewissheit, in einem Kartoffelsack heiraten zu müssen, wenn ich heute kein Kleid finde, fuhr ich also mit Mama und Freundin im Schlepptau in die Nähe von Ingolstadt in ein Industriegebiet. Ich muss dazu sagen, dass ich keine zierliche Person bin und nicht in dem normalen Laden nebenan fündig werden würde.

Ich fuhr also zu diesem Spezialladen für mollige Bräute in der Hoffnung mehr als 2 Kleider zur Auswahl zu haben. Es ist im ersten Moment merkwürdig, in einen solchen Laden zu gehen, schließlich war man in der Regel noch nie dort. Ich war fast schon etwas eingeschüchtert von dem vielen weiß und bling bling, aber die liebe Rosi brachte uns in einen Anproberaum mit schönem Sofa, gab uns Wasser und holte Kleider aus dem Lager. Früher dachte ich, dass es doch besser ist, wenn man sich selbst die Kleider aussuchen kann und stöbern kann im Fundus, retrospektiv finde ich diese Lösung aber besser, wenn nämlich die Verkäuferin eine Auswahl bringt. Die größte Gefahr ist nämlich, dass man zu viel gesehen hat und übersättigt ist von Eindrücken.

Die ersten 5 Kleider rollten also auf einem Kleiderständer daher und meine Augen fingen an zu leuchten dank dieser unerwarteten Auswahl! Ich konnte es also kaum erwarten, diese Prachtstücke anzuziehen. Das erste Kleid wurde angezogen, ich ging um die Kurve und es sah toll aus. Ich hatte nicht mal erwartet, dass mir ein weißes Kleid stehen würde. Aber es gefiel und durfte auf den Gegebenenfalls Stapel. In meinem Kopf ratterte es los. Gegebenenfalls? Man muss doch total begeistert sein? Wo bleiben die Tränen? Die heulen doch immer alle los? Ich drehte mich noch einmal in meinem Kleid und begutachtete mich. Der Aha Moment kam nicht, aber wer weiß, ob ich den haben darf. Ich hab ja keine Zeit. Ich sehe mich im Spiegel an und sehe plötzlich meine Schwester. Je länger ich mich betrachte, desto mehr sehe ich die Ähnlichkeit mit dem Brautkleid meiner Schwester. Der gleiche Ausschnitt mit Perlchen verziert, die gleiche Spitze, die gleiche Form. Es ist nur eine Notlösung.

Es folgen weitere Kleider. Alle okay, aber eben nicht mein Kleid. Rosi läuft nochmal los, sie kann mich ja jetzt besser einschätzen. Als sie wiederkommt, stehen schon ein paar Sorgenfalten auf meinem Gesicht. Wir nehmen das nächste Kleid. Eigentlich sieht es nicht groß besonders aus. Als ich reinschlüpfe, fühlt es sich gut an. Der Reißverschluss geht zu und das Kleid sitzt wie angegossen. Noch stehe ich hinter einer Trennwand, damit mich Mama und Maribel nicht sehen können. Ich schaue an mir herunter, fasse das Organza an und fange leicht an zu schwingen. Ich will mich sehen.

Ich gehe um die Kurve direkt in Richtung Spiegel und achte gar nicht auf meine Begleitung auf dem Sofa. Ich sehe mich im Spiegel und kriege Gänsehaut. Ich schwinge meinen Rock wie eine Glocke im Julia Roberts Style und fühle mich wohl. Ich drehe mich um und blicke ins Gesicht meiner Mutter, der die Tränen in den Augen stehen. Daneben sitzt meine beste Freundin, der schon die Tränen kullern. Beide sind sprachlos. DAS ist der Moment. DAS ist mein Kleid. Kein anderes will ich mehr anprobieren, dieses will ich gar nicht mehr ausziehen. Find a dress in 5 days – Mission completed!

Nächste Aufgabe: Location

Mehr dazu im nächsten Blog und bis dahin immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

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