Summer of Sail

Auskleiden bei der Bundeswehr

Ich denke, dass ich bereits erwähnt hatte, dass ich aktuell noch Soldatin bin. Ich bin nach meinem Studium zur Bundeswehr gegangen und habe mich für 4 Jahre und 9 Monate verpflichtet. Es war eine schöne und intensive Zeit in meinem Leben, aber gerade jetzt zum Ende hin konnte ich mich mit dem Arbeitgeber nicht mehr identifizieren. Viel zu groß sind mittlerweile Versorgungslücken, Sicherheitsgefahren und Behördenkomplexität.

Komplexität wurde nämlich auch jetzt wieder bewiesen. Ich wollte mich „auskleiden“ und das bedeutet bei der Bundeswehr viel Aufwand. Kurz zur Erläuterung: am Anfang der Bundeswehrzeit wird man eingekleidet. Man bekommt eben alles Zeug an Anziehsachen, das man so als Soldat gebrauchen könnte. Für mich bedeutete das damals, dass ich vollausgerüstet wurde.

Neben dem Dienstanzug mit Rock, Hose, Dienstanzugjacke und Mantel und meiner Dienstkleidung für den Sanitätsdienst bekam ich ein riesiges Paket an Klamotten in Tarnfarben und Ausrüstung für das Feld. Neben Feldjacke, -bluse und –hose wurde ich mit Kampfstiefeln und deren Gummiüberzügen, Regenschutz und Kälteschutz versorgt. Dazu gesellen sich dann Feldmützen für warm und kalt, Handschuhe, Gürtel, Riemen, Helm, Rucksack, Schießbrille, ABC-Maske, Schlafsack, Zeltplane, Camping-Kochgeschirr, Klappspaten, Taschenmesser und allerlei Zeug. Weiter ging es mit trendigen Sportsachen in blau mit zwei verschiedenen Sportschuhen. Diese werden beim Auskleiden übrigens gelocht, dürfen aber beim Soldatne verbleiben. Man muss nur beweisen, dass man sie noch besitzt. Für mich persönlich erfolgte irgendwann mal die Ergänzung von Anziehsachen im Rettungsdienst: zwei Paar Stiefel, Jacke, Hose, Shirt. Alle Ausrüstungsgegenstände kommen auf die persönliche BAN-Liste. Einmal im Jahr muss man dann kontrollieren, ob man noch alles besitzt.

Ich habe damals alles empfangen (es waren immerhin zwei große Einkaufskörbe), mühselig heim geschleppt und in den Keller gestellt. Die Klamotten wanderten dann zum nächsten Keller und von hier zum wiederum nächsten. Ich habe lediglich meinen Feldanzug auf einer einzigen Fortbildung gebraucht. Ansonsten lagen in meinem Keller seit Jahren Ausrüstungsgegenstände. Witzigerweise wird zum Beispiel meine Zeltbahn nicht neu verwendet, weil sie abgenutzt ist von 4 Jahren im Keller…

Heute ging es also darum, das alles wieder los zu werden. Vor zwei Wochen verbrachte ich ein paar Stunden mit Christian, um meine Vollständigkeitszählung zu machen. Er war sehr abgelenkt von den vielen Fundstücken und musste Beweisfotos von mir mit Helm machen oder in Feldanzug:

Im Endeffekt fehlten mir 1 Feldmütze, 1 olivgrünes Handtuch und 1 Paar Rettungsdienststiefel. Während mich Nummer 1 und 2 nicht groß tangierten, fallen diese Schuhe leider ordentlich ins Gewicht. 250€ würde die Bundeswehr ganz sicher als Schaden ansehen, den ich ersetzen müsste.

Glücklicherweise hat meine Mutter einen exzellenten Ordnungssinn und ein sehr viel besseres Gedächtnis als ich (ich schiebe es noch immer auf mein Chemo brain). Sie fand die Schuhe im Nu und so konnte ich endlich den Weg antreten zur Auskleidung. Ich war extrem stolz auf mich. Ich wusste zwar nicht, wann und wo mir diese beiden abhandengekommen waren, aber die sollten nun wirklich nicht mehr relevant sein. Ich lade das Zeug in mein Auto, hole ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank und finde ein Handtuch. Wow! Toll! Noch eins weniger! Strike!

Mit meiner BAN Liste fuhr ich also zur Dienststelle und wollte nur kurz anmerken, dass man vergessen hatte, meine Weißkleidung auszutragen, die ich 2016 abgegeben hatte. Aber hey, wer hätte es gedacht. Das ist ein größeres Problem als vermutet. Man braucht eine aktuelle BAN Liste, um das zu prüfen. Wegen Datenschutzproblemen darf ich die nur persönlich mit Truppenausweis anfordern. Nach 10 Minuten erfolgloser Diskussion mache ich mich also auf den Weg zur Bekleidungskammer und kriege eine BAN-Liste. Ich vergleiche also nochmals alle Artikel auf 3 A4 Seiten und stelle fest: Weißkleidung draußen. Aber Dienstanzug drinnen.

„Den hab ich doch aber abgekauft, der gehört mir doch!“

„Darüber habe ich keinen Nachweis. Wer soll das gemacht haben?“

„Die Dame in Ulm, die das hier vermerkt und unterschrieben hat.“

„Ja dann müssen Sie nach Ulm, damit die Dame das ins System einpflegt“

Nicht deren Ernst. Ich fahre doch jetzt keine zwei Stunden, um ein paar Klicks im Computer zu veranlassen?! Meine Rechnung muss doch reichen. Aber nein! Bürokratie Deutschland: Ich brauche eine Bestätigung von meinem Kompaniefeldwebel, dass die Frau in der Bekleidungskammer die Klicks machen kann. Ich fahre also wieder retour. Mein Kompaniefeldwebel sucht und sucht und findet schließlich das erlösende Dokument. Ich darf meine Sachen ausladen und bin nahezu vollzählig. Mal sehen, wann und wo diese Feldmütze wieder auftauchen wird…

Und nach all dem Stress und diesen komplexen Vorgängen setze ich mich in mein Auto und denke mir einfach nur, dass auf hoher See bestimmt nicht so viel Bürokratie herrscht.

Ich hoffe mal, dass ich mich da nicht täuschen werde…

Bis dahin Mast- und Schotbruch!

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